10/01/2011

E-Mails eines Traumahündinfrauchens

Diese Mails erreichten mich einen Tag, 2 Wochen und 7 Wochen nach Lomas (bei Scooby Pony) Ankunft und zeigen, welch dankbare Aufgabe es ist, eine Angstnase auf dem Weg zurück ins Leben zu begleiten (man lernt, sich über klitzekleine Fortschritte zu freuen wie ein Keks), aber auch welch verantworungsvolle Aufgabe, die sehr viel Geduld, Liebe und Einfühlungsvermögen fordert. Man muss erst mal alles geben, ohne irgendetwas zu fordern, aber es lohnt sich!

Salut Christiane,

ich schreibe jetzt erst mal, weil ich gerade einfach ganz sprachlos bin. Sie ist eine ganz Süsse!!!! Die Autofahrt verlief völlig unproblematisch. Ich hatte ja wirklich Angst, sie würde vor Angst jaulen und unruhig sein und ich dachte eigentlich, dass das alleine nicht zu stemmen sei, aber sie war ruhig und es war schön wieder den Hundeduft im Auto zu haben. Das Auto scheint ihr Sicherheit zu geben, sie hatte nämlich so viel Platz, da die Hintersitze herunter geklappt waren, dass ich sie in Freiburg nicht aus dem Auto bekommen habe und habe mich dann nach knapp zehn Minuten entschieden, dass Geschirr noch mal fester zu machen (sie kam nämlich fast raus) und dann sanft heraus zu ziehen. In der Wohnung war sie nach ein paar Sekunden drin, liegt aber jetzt noch im Eingangsbereich und traut sich nicht richtig in die Wohnung rein und die Couch kann sie von dort auch nicht so richtig sehen. Aber ich habe sie jetzt erst mal aus der Hand gefüttert und sie zumindest schon mal zwei Meter reinlocken können und jetzt gehe ich immer mal zwischendruch hin und streichel sie einfach ganz sanft und rede mit ihr. Und: Sie fährt genauso auf sanfte Worte ab wie Fine. Man merkt, dass sie noch in jedem Moment erwartet, bestraft zu werden (ja, und jetzt hat sie das erst Mal mit dem Schwanz gewedelt als ich sie vom Schreibtisch aus begrüsst habe!), lässt aber nach einigen Sekunden locker und kann langsam geniessen. (Ja: und jetzt hat sie sich gerade langsam an mich rangeschlichen von hinten! wunderbar.) Also, ich denke, dass sie es bis zum Ende des Abends auf die Couch geschafft haben wird.
Meine Katze ignoriert sie wie erwartet und vor meinem Kater hat sie etwas Angst als ob sie auch da jede Sekunde einen Schlag erwarten würde. Ich habe ihn ein bisschen zurück genommen und er beobachtet jetzt erst mal skeptisch, aber auch hier: Keine Probleme. Und: Die Sonne scheint das erste Mal wieder so richtig in Freiburg seit langer Zeit. Also, es passt alles.
Ich werde mich jetzt erst mal unter die Dusche und dann auf die Couch schwingen, weil ich ziemlich müde bin. Bin heute morgen um viertel vor fünf los gefahren wiel ich Angst vor Stau hatte.  Aber sie liegt schon relaxt hinter mir. Das ist schon mal gut und gegähnt hat sie auch schon!
Morgen gibt es dann mehr zu berichten!

Ich hoffe auch bei euch scheint die Sonne,

viele liebe Grüße,

Natalie



Salut Christiane

Loma ist eine ganz Liebe. Sehr sehr ängstlich. Versucht alles richtig zu machen, vermutlich aus Angst verprügelt zu werden. Das ins Auto steigen und aus dem Auto hinaus verlief am Anfang dramatisch. Bei beidem hat sie sich gesträubt als ginge es um ihr Leben (so war es wohl auch mal), und sie wurde regelrecht panisch. Mittlerweile geht beides. Das ins Auto steigen ging, wenn ich am Anfang einfach vorgegangen bin auf die Rückbank. Dann kam sie - zwar sehr ängstlich und holperig - nach. Das aus dem Auto raus klappt mittlerweile mit Unterstützung am Brustgeschirr.
Zu Hause fühlt sie sich mittlerweile sicher, wenn nur die Katzen und ich hier sind. Seit zwei Tagen kommt sie auch selbständig an und fordert Streicheleinheiten. Seit einer Woche wälzt sie sich jeden Tag genüsslich im Bett oder auf dem Boden, jauchzt dabei vor sich hin und es wird klar, dass in diesem kleinen ängstlichen Bündel eine Menge Lebensfreude und -lust steckt. Sie liebt es, mit dem Schwanz zu wedeln. Was sie anfangs nur gemacht hat, wenn die Futterdose rappelte, macht sie jetzt auch oft zwischendurch, begrüßt mich, sagt Hallo, fordert auf zum Streicheln. Dabei wedelt der Schwanz so heftig, dass Hintern und Hüfte intensiv mitschwingen und man hat das Gefühl, sie würde gleich abheben.
Aber wenn es rausgeht ist dieser eigentlich fröhliche Hund nicht mehr wieder zu erkennen. Sie kommt mittlerweile freiwillig vor die Tür. Am Anfang musste man doch immer sanft ziehen und sie scheint den Sinn des Gassi Gehens nicht einzusehen. Draussen ist es schwierig aber es wird besser. Sie hat Angst vor lauten Geräuschen, Autolärm und Menschen. Menschen sind ein Drama. Sie ist zu 100% wachsam, behält jeden im Auge, um eine eventuelle Gefahr für Leib und Leben einschätzen zu können. Mittlerweile kann sie an einigen einzelnen Personen ohne Panik vorbei. Aber bei bestimmten Leuten oder Gruppen, stelle ich mich bewusst zwischen sie und die Leute, um ihr zu signalisieren: “Ich sage nicht nur, wo es lang geht, sondern ich beschütze Dich auch.” Seit Beginn ist sie schon ruhiger geworden. Ging sie zu Beginn noch so weit wie möglich hinter mir und nutzte die volle Länge der Leine aus (und sie ist so kurz wie möglich), geht sie jetzt zumeist neben mir, selten auch mal vorneweg. Also da tut sich was. Die ersten Tage habe ich unentwegt mit ihr draußen geredet. Sobald ich still wurde, ist sie merklich ängstlicher geworden, ist hin- und hergetippelt, guckte sich panisch um. Ich war nach drei Tagen heiser. Das große Problem war, dass sie sich dann auch nicht lösen kann, Sie ist so ängstlich und verkrampft, dass da nichts läuft. Markieren gar nicht, schnüffeln, mal kurz riechen klappt mittlerweile ab und zu. Aber dann schnell weiter. Leider waren wir abends dann immer so lange unterwegs, weil sie bei Dunkelheit wirklich sehr sehr ängstlich wird, dass ich mir, nachdem wir am fünften Abend 1/½ h im Regen unterwegs waren, eine heftige Bronchitis eingefangen habe und krank war. Sobald es dunkel wird, verhält sie sich extrem ängstlich. Aber mittlerweile macht sie in der Regel binnen 20 Minuten. Seit zwei Abenden gehe ich mit ihr abends zwei Kilometer joggen, um sie in der Dunkelheit zu lockern und sie auch ans Joggen zu gewöhnen. Es sieht im Moment ganz gut aus. Die Rechnung scheint aufzugehen. Mal schauen, wann ich die Strecke etwas ausdehnen kann. Im Wald, wenn nur wir zwei unterwegs sind, ist sie relativ locker, schnüffelt, markiert, immer aufmerksam, aber doch entspannter.
Meinen Kater hat sie nach zwei Tagen angefangen anzuknurren und nach ihm zu schnappen. Jetzt lasse ich jedoch meinen Kater vor Lomas Augen regelmäßig ein bißchen Wurst fressen und danach kriegt sie vom gleichen Teller den Rest. Seitdem ist hier Ruhe;-)
In Loma schlummert ein echter Traumhund. Jagdtrieb ist bis jetzt  keiner zu sehen, wobei ich nicht weiß, ob sie nicht einfach zu ängstlich zum Jagen ist. Aber die Zeit wird es wohl zeigen. Nein, sie ist eigentlich unproblematisch, sehr lieb und lebensfreudig und ich hoffe, dass die generelle Angst gegen Menschen sich bald auflösen wird (sie hat auch nicht primär vor Männern deutlich mehr Angst, es sind wirklich alle Menschen). Schleppleine klappt auch gut und sie ist wahnsinnig lernfreudig und begreift schnell! Das ist schon etwas erschreckend. Aber vielleicht konnte sie auch nur so überleben.
Im Moment bin ich etwas traurig, wenn ich sie manchmal sehe. Zumeist schaut sie mittlerweile entspannt und fröhlich, wenn wir zu Hause sind. Aber manchmal schleicht sich dann wieder eine Trauer in die Augen, gerade wenn wir von draußen reingekommen sind. Sie schläft auch extrem viel und tief, aber ich denke, dass das davon kommt, dass sie draußen ständig auf 180 ist. Das muss einfach sehr ermüdend sein, körperlich und mental.
Im Ganzen machen wir nur Fortschritte und ich hoffe, dass es weiter bergauf geht.
Viele liebe Grüße,
Natalie mit Loma

Hallo Christiane,

ich habe erst eben Deine email gelesen, weil Loma und ich viel unterwegs sind. Also, es läuft sehr gut und ich plane im November einen Ausflug nach Ulm, um sie auf der Windhundwiese das erste Mal abzuleinen. Sie ist draußen jetzt so relaxt, dass ich mit einigen Übungen anfangen kann, damit sie lernt auch draußen zu hören. Ich habe sie am Anfang die ersten 4 bis 5 Wochen draußen erst mal nur stabilisiert, ohne etwas von ihr zu wollen, damit sie die Erfahrung machen kann, dass draußen nichts passiert und sich erst mal darauf konzentrieren kann. Drinnen ist sie eine echte Freude, springt beim Spielen auf mich drauf, hat mir im Überschwung auch schon mal ins Bein gebissen und da ist sie ein echter Sonnenschein. Ich schicke Dir die Fotos am Wochenende. Jetzt schaffe ich es nicht, denn wir werden am Wochenende nicht viel draußen sein, da ich in unmittelbarer Nähe lebe, wo der Papst zum Gottesdienst kommt. Mir ist es auch mit Loma zu stressig, mich durch jede Menge Polizisten und knapp 90.000 Pilger zu kämpfen. Hier ist alles gesichert wie in Fort Knox.
Also, Fotos zum Wochenende.
Ich hoffe euch geht es gut und wünsche euch eine schöne ruhige Zeit,

Natalie